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Pflanzenschutz ohne Pflanzenschutzmittel?

Teil 2

Wie in Teil 1 beschrieben, ist der wichtigste und für gute Gärtner selbstverständliche Teil des Pflanzenschutzes, dafür zu sorgen, dass die Pflanze die zu ihr passenden Temperatur-, Licht- und Bodenverhältnisse bekommt. Ein zu großer Topf mit zu vielen Wassergaben ist für eine trockenheitsliebende Pflanze tödlich, da sie fault, anstatt das vorhandene Wasser zu verbrauchen. Schädlinge sind dann nur ein Symptom, nicht das Problem an sich.

In Wohnräumen schwieriger umzusetzen, aber wie in Teil 1 erwähnt in einem Krieger Gewächshaus durch die Plexiglas "Alltop" Verglasung schon gewährleistet, ist ein optimales Lichtspektrum (UV-Durchlässigkeit der Scheiben). In der lichtarmen Jahreszeit kann die natürliche Tageslichtdauer durch entsprechende Leuchten ergänzt werden. Ein Luftumwälzer sorgt dafür, den in der Natur auftretenden „Wind“ zu imitieren.

„Regen“ wird dagegen auch unter Pflanzenfreunden oft nur als Wassergabe in den Topf verabreicht, selten als Heilmittel bei Schädlingen verschrieben. Es klingt fast zu einfach um wahr zu sein, aber Wasser in der richtigen Dosis, der richtigen Temperatur und mit einem zur Stabilität der Pflanze passendem Spritzdruck erledigt Spinnmilben, Wollläuse und Blattläuse oft so effektiv, dass es eher umständlich erscheint, Spritzmittel zu kaufen und anzurühren. Stabile, hartblättrige Pflanzen können durchaus mit scharfen Strahl abgesprüht werden, wobei eine Schlauchdüse mit situationsgerecht einstellbarer Sprühöffnung für die regelmäßige Morgendusche sinnvoll ist.

Selbst wenn diese Methode einmal nicht ganz ausreichen sollte, liegt ein großer Vorteil unter anderem darin, dass Nützlinge (wie z.B. Marienkäfer, die Blattläuse fressen) eher gefördert als geschädigt werden, wobei in diesem Fall der Spritzdruck nicht zu hoch sein sollte, um die Nützlinge nicht mit vom Blatt zu spülen. Thripsen sind ein gegen viele Spritzmittel resistenter Schädling. Die Raubmilbe Amblyseius cucumeris, die die Larven verschiedener Thripsenarten frisst, braucht zum Überleben feine Wassertröpfchen auf den Blättern, während der Schädling selbst eher durch Trockenheit begünstigt wird. Die genannte Raubmilbenart kann bei Thripsenbefall im Fachhandel bestellt werden. Mit weiteren Nützlingen verhält es sich ähnlich. Florfliegenlarven fressen eine Vielzahl unterschiedlicher Schädlinge und arbeiten bei höherer Luftfeuchtigkeit effektiver als bei ausgeprägter Trockenheit.

Natürlich mag nicht jede Pflanze eine solche Dusche: Gurken lieben zwar ein feuchtwarmes Klima, bei zu viel Nässe werden sie aber leicht von Pilzen befallen. Wichtig ist in diesem Fall nur dann zu sprühen, wenn tatsächlich z.B. gegen Spinnmilben vorgegangen werden muss und die ausführliche Morgendusche über Tag und vor allem zur Nacht hin wieder vollständig abtrocknen kann. Je kühler der Raum bzw. das Gewächshaus gehalten wird, desto vorsichtiger muss diese Methode gehandhabt werden und desto eher sollten zwischen den „Regenfällen“ ein paar Tage Pause liegen. Viele Tomatensorten dagegen mögen es im Blattbereich tendenziell trockener, was den Nutzen von zu viel Wasser in Frage stellt. Außerdem lassen sich z.B. Weiße Fliegen von den Wassergaben wenig beeindrucken. Was ist also zu tun, wenn eine Wolke aus weißen, saugenden Tierchen die bisher schönen Tomaten umschwirrt? Erfahrungsgemäß lässt sich eine Population weißer Fliegen manchmal über mehrere Monate mit in großer Zahl aufgehängten Gelbtafeln ausreichend in Schach halten. Bei heißen Temperaturen und trockener Luft (evtl.Schattierung erforderlich?) kann dann aber plötzlich doch eine zu starke Vermehrung eintreten. Im aktuellen Fall ist dann vielleicht die Spritzung mit einem möglichst nützlingsschonenden und gesundheitsverträglichen Mittel nötig, für die Zukunft lässt sich aber weiterdenken: Es heißt, Kornblumen würden Schlupfwespen anziehen, diese wiederum parasitieren die weiße Fliege.

Existiert in der Nähe des Gewächshauses vielleicht ein bisher nutzloser Randstreifen, der im nächsten Jahr probeweise einmal mit einer großen Decke dieser schön blühenden und, in geeigneter Menge ausgesät, Unkraut unterdrückenden einheimischen Pflanze verziert werden kann? Es gibt weitere Beispiele dafür, wie bestimmte Pflanzenarten oder Nisthilfen Nützlinge begünstigen, um so ein möglichst natürliches System zu schaffen, bei dem der Mensch auf Dauer gar nicht mehr so viel eingreifen braucht. Unterschiedliche Samenmischungen für Blumenbeete werden als „Nützlingswiese“ angepriesen. In diesem Fall, wie auch beim Thema Insektenhotels, könnte es sinnvoll sein den Blick nicht nur auf das Thema Bienenschutz zu lenken, sondern andere Insektenarten, wie die genannte Schlupfwespe, mit einzubeziehen, um generell eine möglichst große Artenvielfalt zu begünstigen.

Nicht selten kommt es (besonders bei Blattläusen) vor, dass der Befall z.B. im Frühling und im Herbst phasenweise auftritt: Wenn in dieser Phase mit Wasser gespült wird oder genügend Marienkäfer vorhanden sind (die Blattläuse fressen), hat man den Rest des Jahres oft wieder Ruhe. Als erstaunlich wirksam stellt sich manchmal auch heraus, zu beobachten von wo aus die Schädlingspopulation sich verbreitet: Eine einzelne, kränkelnde Zucchinipflanze kann das ganze Gewächshaus mit Blattläusen versorgen. Sie möglichst bald zu entfernen, auch wenn es mal weh tut, kann alle gesunden Pflanzen im Gewächshaus retten und weitere Maßnahmen überflüssig machen. Auch das Abschneiden befallener Pflanzenteile in Kombination mit wenigen, einzelnen „Wettergott- Eingriffen“ kann sehr wirkungsvoll sein.

Ein Thema, das ebenfalls ein Stück weit Meinungssache ist und bei dem unterschiedliche Methoden möglich sind, ist die Frage nach geeigneten Substraten. Standardmäßig wird im Gartenbau und Einzelhandel zu weitgehend sterilen, oft speziell für bestimmte Pflanzengruppen produzierten Substraten geraten. Das Abkochen soll unerwünschte Samen, aber auch Pilze und andere Schädlinge vernichten. Diese Substrate können (hochwertige Fabrikate vorausgesetzt) durchaus Verwendung finden und sind nicht grundsätzlich schlecht, vor allem wenn der Garten zu klein ist, um eigene Komposterde herzustellen. Leider lehrt uns aber die praktische Erfahrung, dass sich auch ein abgekochtes Substrat keinesfalls resistent gegenüber Schimmelbefall z.B. bei zu langer Lagerung zeigt. Im Gegenteil: Gerade eine Erde, aus der alles Leben künstlich entfernt wurde, kann anfällig für stark um sich greifende einzelne Keime sein. Nicht selten bestehen die günstigeren der in Kunststoff abgepackten Substrate lediglich aus Torf, der mit Kalk und mineralischen Düngebestandteilen zu einem scheinbar perfekten Produkt komponiert wurde.

Leider ist sowohl Torf als auch der mineralische Zusatz unter dem Gesichtspunkt eines Gartens als „lebendiges System“ von vorne bis hinten ungeeignet, sofern man nicht ein spezielles Moorbeet anlegen möchte. Die gekauften Substrate funktionieren zunächst, entspringen aber aus der hier vorgestellten Sichtweise gesehen eher der Vorstellung, Lebewesen wie Maschinen behandeln zu können: Wenn alle chemischen Bestandteile perfekt eingestellt sind, sollten die „Zahnräder“ des (Pflanzen-)Wachstums ins Rollen kommen. Häufig zeigt sich aber nach wenigen Monaten, dass ein solches Substrat nicht mehr luftdurchlässig genug ist, seine anfangs perfekte chemische Zusammensetzung verliert oder dass im Baumarkt gekaufte, anfangs perfekt aussehende Pflanzen, nach wenigen Wochen in sich zusammenfallen.

Eine andere Sichtweise wäre die Frage, ob wir uns bei dem Umgang mit Pflanzen nicht generell mehr mit dem Lebendigen beschäftigen möchten. Die Funktion echter Erde, wie wir sie in den Naturlebensräumen der von uns kultivierten Pflanzen genauso wie in selbst hergestellter Komposterde vorfinden, besteht nur zu einem kleinen Teil aus rein chemisch und mechanisch funktionierenden Komponenten. In mindestens ebenso großem Maße besteht sie aus einer solchen Fülle von Kleinstlebewesen, dass sie bereits für sich genommen als Ökosystem betrachtet werden kann. Nützliche und schädliche Keime sind hier in solcher Vielfalt vorhanden, dass sich Aufbau und Abbau in gesundem Ausgleich befinden. Bei passender Behandlung kann ein ungewollter Keim, der sowieso überall vorhanden ist, dann nicht Überhand gewinnen, da das Systemgefüge ihn in gesunden Grenzen hält, innerhalb derer er vielleicht sogar einen Nutzen hat. Das Thema Erde kann auch weitergehend betrachtet werden, soll an dieser Stelle aber als passender Abschluss des gesamten Artikels dienen: Der Mensch verhält sich oft produktiver und gesünder, wenn er sich in Beobachtung und Austausch mit der Natur befindet, als die Natur u.a. mit chemischen Eingriffen „regieren“ zu wollen.

Letztlich können an dieser Stelle nur Anregungen und Beispiele für teils neue oder andere Denkansätze gegeben werden. Es gibt sicher eine Vielzahl praktischer Herausforderungen, die hier nicht genügend ausgeführt werden konnten und für die der Gärtner eigene Lösungen finden muss. Gärtnern kann als „Gespräch“ zwischen Kultur und Natur aufgefasst werden, das uns in vielen unterschiedlichen Zusammenhängen lehrt, wie das Leben an sich funktioniert. Ausgelernt haben wir dabei nie.

Im glücklichsten Fall schaffen wir es nach einigen Jahren Erfahrung so gesunde Pflanzen wachsen zu sehen, dass eine Blattlaus nach dem ersten Versuch ihren Rüssel in unserem Mangold zu platzieren mit Kopfschmerzen reißaus nimmt und sich in Zukunft einfacheren Aufgaben widmet.

Text: Marian Rosslenbroich, Kuno Krieger GmbH

Pflanzenschutz Teil 2